Pünktlich zum letzten Kletterurlaub auf Mallorca kam das Päckchen von den Bergfreunden mit den neuen High-End Schuhen von Scarpa – der Scarpa Booster S. In diesem Schuh vereinigen sich die Vorteile zweier Scarpa Schuhe – dem Leisten des Boostic und der X-Tension Sohlenkonstruktion des Booster.
Der erste Eindruck
Auf den ersten Blick fällt die im Vergleich zu meinem Vorgängermodell, dem Feroce, die doch sehr starke Vorspannung auf, die dem Booster S ein aggressives Aussehen verleiht. Auffällig ist auch der deutlich ausgeprägte Downturn, also das nach unten Wegkippen der Zehenspitze. Der starke Downturn zusammen mit der X-Tension Konstruktion, die bei genauem Hinsehen unter der orangenen Zwischensohle zu erkennen ist, verspricht eine präzise Krafteinleitung und Stabilität auch auf kleinsten Leisten. Von unten betrachtet zeigt sich auch das beim Booster bewährte Konzept der 1/3-Sohle. Sprich die Sohle ist nur da vorhanden, wo sie auch gebraucht wird, also an Zehenbox (3,5 mm Vibram XS-Grip2) und Ferse. Der Rest der Sohle besteht aus der orangefarbenen Zwischensohle. Das Obermaterial besteht aus angenehm weichem Kunstleder. Die Verarbeitung ist Scarpa-typisch sehr gut, alles ist sauber vernäht und die Sohle ist ohne sichtbare Klebereste verklebt und ordentlich verschliffen. Ansonsten kommt der Booster S mit seinen knalligen Gelb, Orange und Blautönen optisch schon mal super an.
Aufgrund des Aussehens stellte ich mich beim Anprobieren auf Schmerzen im Zehenbereich ein aber nachdem der Fuß dank der beiden Anziehschlaufen in den Schuh geflutscht ist, passt er dann doch erstaunlich gut (Schuh eine Nummer kleiner als Straßenschuhe). Dank der beiden gegenläufigen Klettverschlüsse lässt sich der Schuh auch schön an die individuelle Fußform anpassen. Dank des asymmetrischen Leisten wird der große Zeh nicht zur Fußmitte hin gezwängt, was bei anderen Schuhmodellen teils der Fall ist.
Felskontakt
Dank der recht guten Passform war ich erst noch am Zweifeln, ob nicht doch eine Nummer kleiner besser gewesen wäre, doch nach dem ersten Felskontakt und dem sicheren Stehen auf kleinsten Tritten verflogen diese Zweifel doch recht schnell. Durch die X-Tension-Konstruktion die die Sohle durch unter dem Fuß gekreuzte Bänder verstärkt merkt man deutlich, dass die Sohle wirklich steif ist und nur wenig nach gibt aber ohne dafür die Präzision und das Feingefühl durch eine dicke Sohle zu opfern. Durch die unter dem Fuß verkreuzten Versteifungen entsteht aber ein für mich zuerst doch recht unangenehmes Druckgefühl an Fußinnen- und Außenseite an den Stellen, wo die Bänder nach oben vorbeilaufen. Dieses Problem trat sonst nur bei dem Ozone QC von Rock Pillars auf, dort jedoch deutlich unangenehmer.
Ansonsten ist der Schuh ein Traum, Toe-Hooks sind dank der super Zehenbox und dem ordentlichen Gummi auf der Oberseite wirklich bombenfest und auch Heel-Hooks sind dank der eng anliegenden Ferse gut machbar. Das hängt natürlich immer vom Fuß ab und hier sollte wie immer jeder selber die perfekte Form finden.
Eigentlich gibt es bei dem Booster S nicht viel zu bemängeln, wenn die Fußform passt. Lediglich nach einiger Tragezeit fängt die Naht der Zehenbox, welche genau über dem großen Zeh verläuft, an zu drücken. Hier hätte Scarpa vielleicht die Naht besser positionieren können. Weiterer Minuspunkt ist, dass das doch sehr dünne Obermaterial aus Kunstleder relativ schnell nachgibt, sodass ich im Nachhinein vielleicht doch empfehlen würde den Schuh einen Ticken zu eng zu kaufen und die ersten zwei bis drei Sessions zu leiden, dann habt ihr danach eine perfekt sitzende Kletter- und vor allem Boulderwaffe, denn genau hierfür scheint dieser Schuh gemacht. Mittlerweile greife ich beim Klettern eher zu etwas bequemeren Schuhen und nehme den Scarpa Booster S nur noch für Kletterrouten am Limit. Beim Bouldern macht dieser Schuh jedoch richtig spaß und führt auch dazu, dass man den ein oder anderen Moove, speziell im Überhang, doch leichter Packt.
Fazit des Scarpa Booster S
Alles in Allem hat Scarpa mit dem Booster S einen wirklich gelungenen Schuh auf den Markt gebracht der sowohl für längere Kletterrouten (passende Fußform vorausgesetzt) als auch für hartes Bouldern geeignet ist. Die X-Tension Konstruktion hält was sie verspricht – nämlich den Schuh in Form! Dank der X-Tension und des Down-Turns wird die Kraft Präzise auf den großen Zeh geleitet und man steht auch die kleinsten Kanten. Erst im Überhang offenbaren sich dann die wahren Stärken, nämlich Hooks jeder Art fallen einem mit diesem Schuh deutlich leichter. Dies deutet auch schon darauf hin, dass der Booster S eher für Fortgeschrittene Kletter- und Boulderer gemacht ist, die wissen, wonach sie suchen. Bei einem Preis von 149,95 € wird aber sicher auch nur ein Materialsportler zum Booster S als ersten Schuh greifen. Aber auch alte Boulderhasen werden bei diesem Preis erst einmal zögern, denn dies war auch der teuerste Schuh, den ich jemals beim Klettern getragen haben. Auf jeden Fall sollte man sich bei der Anprobe ausreichend Zeit lassen, um sicher zu sein, dass der Fuß zum Schuh passt und dass einen weder die Naht auf dem großen Zehen, noch die seitlich am Fuß vorbei laufenden Bänder stören.
Wer also 150€ in seiner Kletterschuhkasse hat, kann getrost zuschlagen, vielleicht tut es aber auch ein etwas günstigerer Schuh. Für mich ist die Tendenz zu Preisen jenseits der 130 € noch immer etwas abschreckend, wobei man bei dem Booster S durchaus sagen kann, dass es der beste Allround-Schuh ist, den ich je getragen habe.
Euer Kletterlaune-Team.
Bilgischer meint
Bester Schuh. Der NACHFOLGER ist um Welten schlechter. Schade, dam muss Scarpa über die Bücher.
Hans meint
Hallo Dirk, vielen Dank für deinen Kommentar. Das mit den Hart aufgestellten Zehen kann ich so nicht ganz bestätigen, wobei das sicher auch stark von der Fußform abhängt. Ich bin von der Größe her aber auch nicht an das untere Limit gegangen, dadurch ist die Zehenstellung noch ganz angenehm.
Das mit dem Besohlen ist natürlich unschön, jetzt wo du es sagst habe ich auch noch niemanden gefunden der Kletterschuhe mit den 3,5 mm Vibram X2 besohlt, die meisten haben da nur 4 oder 5 mm im Angebot. Besohlen war bei meinem Paar aber auch noch nicht nötig.
Das die Lasche am Spann abreißt habe ich auch schon von jemand anderem gehört, meine macht aber noch immer einen stabilen Eindruck. Wenn meine nach einem Monat abgerissen wäre, hätte ich mal versucht die Schuhe zurück zu schicken, das ist bestimmt möglich.
Sollte ich in nächster Zeit ähnliche Dinge bei meinem Paar beobachten, werde ich den Artikel natürlich aktualisieren. Vielen Dank auf jeden Fall für den Kommentar.
Rock On!
Dirk Zimmermann meint
Nachtrag zur Lebenszeit des Booster S.
Ein ganz großes Manko sind die Filzteile der Velcros. Schon nach ca. 12 Monaten halten die Velcros unter Belastung nicht mehr verschlossen. Dies ist mir in der Form noch bei keinem anderen Schuh aufgefallen.
Dirk Zimmermann meint
Trage den Booster S nun auch schon 1 Jahr. Hauptsächlich beim bouldern. Die Performance kann ich größtenteils bestätigen.
Einbußen muss man meiner Meinung nach aufgrund der stark aufgestellten Zehen und der harten Konstruktion bei Toehooks hin nehmen. Der Heelkeil könnte aus meiner Sicht etwas schmaler sein.
Leider ist außerdem die Lebenszeit der Booster S auch begrenzt.
Der Schuh wird in der Regel nur mit der 4mm Standard Grip Sohle wiedebesohlt. Hier leidet dann deutlich die Sensibilität des Schuhs da er noch härter wird. Die Zughilfe am Spann ist mir schon nach einem Monat abgerissen. Mittlerweile zeigen sich auf dem Toepatch auch kleine Löcher.
Das perfekte Milieu des Schuh sind eindeutig Microleisten und sehr steile Überhänge an den man mit den Füßen richtig ziehen muss. Das kann der Booster S richtig gut.